Interview › Interview mit Netlabel Monotonik
Interview › Interview mit Netlabel Monotonik
Später setzte er sich als Gründer von »Legal Torrents« für die Verbreitung von freien Inhalten aller Art per Creative Commons-Lizenz via Peer-To-Peer-Protokoll ein. Wie aber wird man zum so genannten »Early Adopter«, also zu einer Person, die ihre Finger schon immer dann in einem Projekt drin hat, wenn alle anderen noch nichts von dessen Erfolg ahnen?
Im folgenden Interview erklärt Simon Carless aka Hollywood aka h01 aka Netaudio-Großonkel, warum er so einen Riecher hat?
Irgendwie ist der Mann überall vertreten, hat beruflich wie auch privat schon alles Mögliche angepackt. Beispielsweise hat seine Mitarbeit beim Internet Archive (archiv.org) der Bewegung für Freie Musik im Web den nötigen Antrieb geliefert. Der kostenlose Webhoster Archiv.org, den meisten Surfern eher wegen deren Wayback Machine bekannt, hat es vielen Musikern der Netaudio-Szene überhaupt erst ermöglicht, dass sie ihre Stücke kostenlos im Netz anbieten konnten.
Den Puls der Zeit fühlend, gründete er später in der Überzeugung, dass das klassische Webhosting ausgedient hat, den BitTorrent-Tracker bzw. die Community “Legal Torrents”. Simon Carless dachte sich, fürs Webhosting der nächsten Generation muss man als Anbieter nicht mehr unzählige Terabyte Traffic verbrennen. Die Musikfans können die Daten auch direkt untereinander per Filesharing austauschen.
Auch beruflich ging es für Simon Carless aka h0l steil bergauf. Zunächst im königlichen Inselreich und nach seinem Umzug war er in Silicon Valley hauptberuflich als Videogame-Designer bei namenhaften Firmen wie Atari, Kuju Entertainment und Eidos Interactive beschäftigt. Als Journalist reichte er seine Arbeiten bei zahlreichen Zeitschriften (Wired, PC Gamer UK, Official Xbox Magazine, Amiga Format, PC Format) ein, vor vier Jahren kam beim Verlag O’Reilly sein Buch “Gaming Hacks” auf den Markt. Der umtriebige Brite schrieb zwischendurch noch für den Nachrichtenticker Slashdot und übernahm letztlich als Herausgeber das Game Developer Magazine und begründete die nicht minder populäre Gaming-Website Gamasutra. So ganz nebenbei organisiert er außerdem das jährlich stattfindende “Independent Games Festival” in San Francisco.
Hallo Simon! Für den Anfang: Stell dich doch bitte mal unseren Lesern vor!
Hallo! Ich bin Simon Carless, ich bin Anfang dreißig Jahre alt. Ich habe meine Karriere in der Amiga Demoszene im Jahr 1988 begonnen und war bis zirka 1996 in Amiga Demogruppen wie Axis, Jetset aber auch in PC-Gruppen wie Valhalla und Kosmic aktiv.
1996 habe ich Mono als .MOD-Szenegruppe gestartet. Später haben wir das Projekt in Monotonik umbenannt. Anfangs wurden die Veröffentlichungen per ftp-Server und Bulletin Board System (Anmerkung der Redaktion: Mailbox) verbreitet. Wir machen das jetzt – 12 Jahre später – noch immer, auch wenn es jetzt ausschließlich MP3s sind.
Wo und wie hat deine Karriere in der Demoszene begonnen, was hat dich daran so fasziniert? Hast du zufällig ein Demo bei einem Freund gesehen, bzw. was konnte dein Feuer der Begeisterung entzünden?
Ich kann mich nicht mehr genau erinnern. Ich weiß, als ich meinen Amiga 500 bekam, da begann ich mich auch schnell mit dem Thema zu befassen. Ich bekam üblicherweise Disketten mit Public Domain-Software von der Firma 17-Bit Software in England zugeschickt. Aus dem Unternehmen wurde später Team17, die Schöpfer des Spiel »Worms«.
Man kann dich ohne Übertreibung als einen der Erfinder des Netlabel-Konzepts bezeichnen. Warum hast du normale Modules, diese vierstimmigen, zum Programm Protracker kompatible Musikstücke für den Amiga, verteilt, anstatt ausführbare Musikdisks? Verdanken wir fehlenden Programmierern in deiner Gruppe diesen Umstand, oder war das von Beginn an als neues Vertriebsmodell geplant?
Nun, es gab Leute, die .MOD-Dateien verteilten. Aber auf dem Amiga gab es neben den Musikdisks nichts. Warum auch immer, die Idee Musik lediglich in Form eines LHA-Archivs zu packen und es so unters Volk zu bringen, war nicht sonderlich populär.
Ich sah allerdings, dass die Boards die Verteilung sehr viel einfacher gestalteten. Und dies ganz im Gegensatz zu ausführbaren Disketten. PC Musikgruppen gab es zu diesem Zeitpunkt bereits. Ich entschloss mich dazu, ein Gegenstück auf dem Amiga aufzumachen.
Viele Dinge haben sich geändert. Am Anfang hast du eure Musikstücke im Aminet deponiert, die meisten Musikstücke davon waren maximal vierstimmig. Später übernahmen PC-Programme wie FastTracker und Impulse Tracker die Führung. Heute publiziert jeder seine Musikstücke in Form von MP3-Dateien, die auch deutlich einfacher in der Produktion sind. Wie schätzt du die Netlabel-Szene ein?
Netlabel sind heutzutage gemessen an der Menge der Releases echt gewaltig, täglich kommen Dutzende heraus. Aber grundsätzlich haben sie nichts mehr mit der Demoszene gemeinsam.
Ich habe damit kein Problem, aber bei so vielen mikroskopisch kleinen Bereichen ist es schwer geworden herauszufinden, was wirklich gut ist. Es gibt keinen Wettbewerb mehr untereinander, in dessen Verlauf die besten Veröffentlichungen ausgewählt werden. Es gibt halt unglaublich viele Leute, die alle Musik veröffentlichen. Die Menge ist ein echtes Problem, selbst wenn viele Sachen davon von hoher Qualität sind.
Was hast du erwartet, würde mit dieser Art von Szene passieren, sind deine Erwartungen in Erfüllung gegangen? Was könnte jeder Einzelne von uns tun, um die Netlabel-Szene populärer zu machen? Ist ein höherer Bekanntheitsgrad wünschenswert? Es gibt auch Leute, die würden ihr Hobby lieber wie bisher als eine nach außen hin geschlossene Untergrundbewegung betreiben.
Ich glaube die Leute sollten ihre Musik veröffentlichen, wann immer sie es wollen, sie werden ihre Hörer schon finden. Digitale Musik ist heute eh nahezu zum Standard geworden.
Hat dein jetziger Job auch etwas mit deinem Hobby zu tun? Du bist jetzt weit älter als früher, ist es nicht schwieriger geworden, dein Netlabel zu organisieren und die nötige Freizeit dafür aufzubringen? Wie hälst du deine Motivation auf Dauer aufrecht?
Nein, das hat wirklich nichts mit meiner Arbeit gemeinsam. Es ist sehr einfach Monotonik am Laufen zu halten, weil die Leute mir die Musik zuschicken. Ich mag sie und ich veröffentliche sie, so einfach ist das. Ich mache kaum Werbung für das Label. Auch die Website wird nur dahingehend aktualisiert, dass ich die neuen Releases einstelle. Für unsere treuen Hörer ist es ein fester Anlaufpunkt, selbst wenn wir insgesamt nur eine Nische darstellen. Ich mag es und es kostet nicht viel meiner Zeit.
In Hinblick auf LegalTorrents: Wie ist die Idee dazu entstanden und warum hast du es kürzlich an jemand anderes übergeben?
Es ist ursprünglich aufgrund der Tatsache entstanden, weil die Leute Probleme hatten, sehr umfangreiche Dateien im Netz zu verteilen. Meine Intention war es, eine Website aufzubauen, wo alles komplett frei aber unter Anwendung von Creative Commons Lizenzen verteilt wird. Dies ganz im Gegensatz zu den Websites, wo Inhalte Public Domain (also mit Totalverzicht auf jegliches Urheberrecht) vertrieben werden, bzw. wo die Inhalte komplett urheberrechtlich geschützt sind. Mir lief die Zeit weg, um daran zu arbeiten. Und Jonathan Dugan war dann so freundlich das Projekt von mir zu übernehmen.
Kann sich Filesharing wirklich zu einer gehbaren Alternative für den Vertrieb von Musik entwickeln? Oder werden die Konsumenten wegen des Geschwindigkeitsvorteils doch die direkten Downloads von Archive.org, Scene.org oder von kommerziellen Hostingfirmen bevorzugen?
Ich glaube, BitTorrent ist beispielsweise sehr gut dazu geeignet, den kompletten Katalog von Netlabels (Anmerkung der Red.: mit einem Datenvolumen von mehreren Hundert MB bis über einen Gigabyte) zu verteilen, und weniger für einzelne Singles. Vor allem, so lange es preiswerte Hoster oder kostenlose Optionen wie Archive.org gibt.
Simon, vielen Dank, dass Du dir die Zeit genommen hast, unsere Fragen zu beantworten. Ich hoffe Monotonik wird auch in den nächsten 12 Jahren aktiv bleiben, wenn nicht länger!