Interview › Interview mit Netlabel _rohformat
Interview › Interview mit Netlabel _rohformat
Tief in der Demoszene verwurzelt, gehört Ronny Pries zu der ersten Riege begeisterter Künstler, die ihre Musik frei in der digitalen Welt vertrieben haben. Und weil Techno von Technologie herrührt, ist es nicht weiter verwunderlich, dass Ronny Pries genau das mit seinen DJ-Sets, seinem Label und seiner Musik predigt: enthusiastischen und kompromisslosen Techno.
“1,2,3, Techno. Laut und kraftvoll, deep und ehrlich. Geradeaus.” Ronny Pries
Dazu muß ich etwas ausholen. Zu der Zeit als ich .schleudertrauma. (sozusagen _rohformat in Spé) gegründet habe, war die Gesamtsituation in der Musikwelt noch ganz anders als heute. MP3 als Format war noch nicht verbreitet, der VST-Standard wurde gerade erst erfunden.
Wer einzig mittels einem Computer Musik produzierte, benutzte seinerzeit noch einen der hiesigen Tracker (wie z.B. Fasttracker oder Impulsetracker). Von sowas wie einem simplen Filter oder Echtzeit-Effekten haben alle lange geträumt. Was dort am Ende herauskam war klanglich oft dünn, hatte seinen eigenen Stil und Charakter. Viele der Tracks wirkten wie billige Abziehbilder von “echter” Musik.
Abmischen bedeutete, das man einzelne Samples in Soundforge mit einfachen Mitteln bearbeitete, dann wieder in den Tracker lud. So oft, bis man zufrieden war. Der Prozess war aufwendig, viele Musiker haben sich das gespart und die Samples aus anderen Modulen verwendet.
Da ich schon immer sehr großen Wert auf tighten Sound gelegt hab und es noch kein reines Techno-Netlabel gab, habe ich 1996 .schleudertrauma. gegründet. Obendrein hatte ich zu der Zeit ein kreatives Hoch und wusste gar nicht wohin mit den ganzen Tracks. Und für Demoszene-Produktionen waren die meisten aufgrund des Stils ‘eh nicht zu gebrauchen. Eine eigene Spielwiese ohne finanzielles Risiko schien irgendwie logisch. ’98/’99 wurde dann _rohformat daraus.
Die treibenden Kräfte hinter ‘.schleudertrauma.’ waren Martin Abrahamson (aka Bauri, eine Hälfte der Donk Boys), der kurz zuvor sein Netlabel Dr3amsource beerdigt hatte, Gijs van der Brugge (Dupont), Ronald van Aggelen (Sero) und ich. Martin und Gijs haben viel zum bescheuerten Anonym-Konzept von .schleudertrauma. beigetragen.\
Wir haben jedes Release unter einem neuen, bekloppten Namen wie z.B. “Frank aus Frankfurt”, “Jennifer Lowpass” oder “Torwart” als ST-0xx.zip auf den hiesigen Szene-FTP-Server geladen und beobachtet, wie lange es dauert, bis die Szene davon Wind bekommen hat. Eine Website o.ä. gab es nicht. Diese Taktik hat sehr schnell, sehr viel Aufsehen generiert. Aus heutiger Sicht wäre es lustig dazu etwas aus der Sicht von Sebastian Redenz (Thinner) zu hören, der unsere Tracks seinerzeit sehr intensiv analysiert haben muss :)
Liebe Grüße auch an Denis Moschitto, der zu jener Zeit als aufstrebender Schauspieler dann und wann für einen Dreh in Hamburg war. Wir haben zusammen mit Freunden Billiard gespielt als irgendeiner von uns auf den Namen ‘schleudertrauma’ gekommen ist.
Nachdem wir von dem anonymen Kram die Schnauze voll hatten, haben wir das Konzept umgedreht, nur noch richtige Namen genommen und das Projekt zu _rohformat umfirmiert.
1,2,3 Techno. Laut und kraftvoll, deep und ehrlich. Geradeaus.
Durch kompromisslosen Sound, zu Tracking-Zeiten ebenfalls durch die verhältnismäßg aufwendigen Tracks. Ich denke, wir sind immer noch allein mit unser Ausrichtung gen Detroit. Außerdem hat _rohformat noch so etwas wie “eigene” Künstler.
Mission klingt so, als gäb’s ein absolutes Ziel, mit dessen Erreichen man sein Handeln einstellen könnte. Die Grundlage für _rohformat ist aber die Liebe zur Musik. Vor allem in Zeiten von Einheitsbrei und Trends möchte ich allen 909-Liebhabern immer noch eine Anlaufstelle bieten.
Unmöglich da etwas ganz Besonderes herauszupicken. Da sind die tollen Kontakte, die im Laufe der Zeit entstanden sind. Z.B. mit meinen niederländischen Buddies wie Gijs und Ronald. Den Austausch mit Native Instruments, für deren Traktor 2.x Versionen ich die Demomixe gemacht und den dazugehörigen Content organisiert habe. Oder zu Sebastian Redenz, den ich am Anfang seiner Vision vom neuen “Thinner” unterstützen konnte. Außerdem freut es mich, das der Name in unserer schnelllebigen Zeit dennoch hier und da hängengeblieben ist.
Das steht zum jetzigen Zeitpunkt in den Sternen. Ich hoffe jemanden zu finden, der mich im täglichen unterstützt, mir ein wenig mit VÖs etc. zur Hand geht, um monatlich Tracks zu veröffentlichen. Das ist so meine Idealvorstellung.
Ronny Pries auf die Frage, welches Album/EP würdest Du empfehlen?
“Aktuell würde ich sagen “The flight of birds” von Ronin aka Dave Ellesmere. Es ist das bisher erste und einzige Album auf _rohformat, sehr facettenreich und gibt eigentlich alles her, was den Sound so ausmacht. Straight, hübsch, deep, treibend, kickend - von allem etwas.”