Interview › Interview mit Netlabel Headphonica
Interview › Interview mit Netlabel Headphonica
Aufregend* dann, wenn sich niemand in der Kirche zum Konzert einfindet und alle glücklich in gemeinsam erzeugter Kakophonie ersaufen. Aufregend dann, wenn aus einer Idee ein lebendiges Konzept mit Musik, Musik, Musik entsteht.
Headphonica ist wie ein Kreissaal der jungen Musik. Viele Sachen sind roh, aber ungeheuer spannend. Einige Leute verwechseln experimentelle Musik mit Experimentieren, aber viel wichtiger als das Experimentieren an sich, ist das, was dabei heraus kommt.
Zu allererst gab es da diese Idee und das passende Wort dazu – Headphonica: Ausgehend von der Bau-Analogie zwischen Mikrophon und Lautsprechern, fanden wir es witzig Kopfhörer als Mikrophone zu benutzen, um Sounds aufzunehmen und ausschließlich mit diesen Sounds Musik zu machen. Die Idee fand viel Anklang und mündete in einer Compilation – einem CDR-Release eingepackt in ein liebevoll gestaltetes Cover.
Leider hatten wir keine Ahnung von Vertrieb und Promotion. Also auf ins WorldWideWeb! Headphonica-Webseite gebastelt und Compilation online zur Verfügung gestellt. Wir hatten damals noch keinen blassen Schimmer von Netlabels, im Herbst 2005, drei Jungs aus Halle/Saale. Und es gibt da auch noch diese merkwürdige Audio-Datei aus dem Jahre 2006 wo einige Mitmacher zu Wort kommen:
Audio-Datei von Headphonica aus dem Jahre 2006
Aber was dann passierte wissen wir nicht mehr. Alles vergessen, leider.
Das wären wir:
Und unsere Grafiker, denen wir an dieser Stelle herzlichen Dank ausdrücken wollen.
Tommy & Clemens sind darüberhinaus auch selbst musikalisch tätig, u.a. als thegreattheswindle.
Headphonica veröffentlicht wenig fertige Konsumprodukte. Es geht uns um das Entdecken. Die Veröffentlichungen sind demnach sehr divergent. Headphonica ist wie ein Kreissaal der jungen Musik. Viele Sachen sind roh, aber ungeheuer spannend. Einige Leute verwechseln experimentelle Musik mit Experimentieren, aber viel wichtiger als das Experimentieren an sich, ist das, was dabei heraus kommt.
Um aus Experimenten schließlich Musik zu machen braucht man viel Ausdauer …und Headphonica.
Das klingt jetzt vielleicht profan, aber die eigentliche “Konkurrenz” sind ja nicht andere Netlabels, sondern kommerziell arbeitende Labels, die übrigens auch wunderschönes Zeugs herausbringen.
In erster Linie unterscheiden wir uns von der kommerziellen Label-Konkurrenz dadurch, dass wir komplett unter Creative Commons Lizenz (hauptsächlich BY-NC-SA) veröffentlichen und man die Musik komplett frei, dh. für die Hörer vor allem kostenfrei herunterladen kann.
Leider bringt das eben auch mit sich, dass wir nur digital veröffentlichen können, aus Kostengründen sozusagen. Selbst wenn wir gerne Vinyls und CDs herausbringen würden, ist das durch die wirtschaftliche Struktur von headphonica so nicht möglich.
Von der breiten Masse an Netlabels unterscheiden wir uns vielleicht am ehesten dadurch, dass wir “auch” elektronische Musik mögen, und nicht “hauptsächlich”. Nein, mal ganz im Ernst: im Bereich der Netlabels hat sich in den letzten Jahren ganz viel getan und die früher sehr auffallend elektronische Färbung von Netaudio verblaßt zusehends, zum Glück. Dadurch wird Netaudio- und CC-Musik endlich auch für breitere Hörerschichten interessant, die sonst nicht so elektronisch unterwegs sind, und das ist gut so.
Andererseits haben die meisten (Net-)labels einen stilistischen Fokus, und vielleicht unterscheidet uns hierbei am meisten, dass man diesen Fokus bei uns nicht auf den ersten Blick ausmachen kann. Wir sind da ja stilistisch nicht so eingeengt, dh. die echten Fans sind schon einiges von uns gewöhnt :)
Ehm, Moment… dies noch: Wir versuchen schon, die Freiheit, die uns das unkommerzielle Veröffentlichen ermöglicht, auch auszuschöpfen, dh. festgefahrene Vorstellungen eines Labels aufzubrechen und tatsächlich “anders” und “eigenartig” zu sein.
Naja, schon irgendwie das Echte, Wahre und Zeitlose in der Musik zu finden und dann möglichst schwungvoll in die offenen Ohren der geneigten Hörer zu befördern. Zugegeben, das ist nicht ganz einfach. Aber hey, wir geben uns ja schließlich Mühe, ne?
Da gibt es mehrere: Die Headphonica-Geburtsidee, also die Kopfhörer-Mikrophon-Idee an sich und die Tatsache wie viele Musiker man für diese Idee begeistern konnte.
Oder unser Headphonica-internes Forum mit zum Teil haarsträubenden Diskussionen zwischen allen Beteiligten. Die Idee war konspirativer Austausch zwischen den sich bereits in verschiedene Städte verteilten Headphonicalisten. Die ebenso verschiedensten Ansichten sind in hitzigen Wortgefechten aneinander geprallt. Das Beste ist immer noch der Face-to-Face-Dialog. Das Forum wurde zum Glück schnell wieder abgeschafft.
Ein Headphonica-Konzert in einer kleinen Kirche in Arnstadt (bei Erfurt) während dem sich viele der damals sich Headphonica zugehörig fühlenden Menschen erstmals getroffen haben, um in einer Megakakophonie gemeinsam vor nahezu null Publikum zu musizieren.
Der Headphonica.net-Domain-Klau inklusive Gelderpressung, nachfolgender Headphonica.com-Neuauferstehung inklusive nervenaufreibender Internet-Säuberung von der alten Domain, monatelangen Kopf-an-Kopf-Rennen im Google-Suchergebnistest und letztendlichen Sieg über alles.
Nochmal: Es gibt findige Köpfe im welweiten Netz, die herausfinden, wann Providerwechsel stattfinden. In den Stunden vor dem Wechsel zu einem neuen Provider – dann wenn die Domain für kurze Zeit wieder frei ist – greifen sie zu und schnappen sich die Domain, kopieren das ursprüngliche Design und sind inhaltlich ähnlich – im Falle von headphonica.net verwandelte sich die Webseite in ein Informationsportal über Kopfhörer. Die Diebe vermuteten viel Geld hinter headphonica.net und schlugen uns einen Deal vor – für 200 Dollar könnten wir unsere Domain wieder haben. Wir entschieden uns aber schließlich für ein neues headphonica.com. YEAH!
„The Faust Cycle“ von Ergo Phizmiz and Friends – ein fünfzehnstündiges Bombast-Hörerlebnis.
Wir spielen schon länger mit dem Gedanken, das Label in Richtung Neue Musik zu öffnen. Der Keil zwischen der sogenannten Ernsten- und der Unterhaltungsmusik sitzt in Weimar recht locker. Wir hatten die Idee, mit unserer Band THE! ein Konzert zusammen mit einem Weimarer Komponisten zu spielen. Die Bereitschaft zur Symbiose ist da, man könnte fast von Euphorie sprechen.
Ein Traum wäre auch, irgendwann mal ein Best Of headphonica richtig physisch herauszubringen, auf CD und Vinyl – aber das hat noch etwas Zeit…
Welches Release repräsentiert das Netlabel am Besten? Und warum?
Dieses Mixtape hier wurde eigens für Netlabels.de angefertigt. Darauf zu hören sind einige der Greatest Hits von Headphonica, bisher unveröffentlichte Stücke, Live-Versionen und ganz erstaunliche Beiträge von Projekten, die leider nie zu Ende geführt wurden. Alles hochgradig exklusiv.
Der Mix wurde unter der Creative Commons-Lizenz BY-NC-ND veröffentlicht.