breiPott: Netaudio-Bar mit USB-Anschluss

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breiPott: Netaudio-Bar mit USB-Anschluss

Sie nennen sie selbst »die erste Netaudio-Bar mit Milchreisküche«, kurz breiPott. Schließlich hört man programatisch in dieser Bar nur freie Musik aus dem Internert, sprich Sounds von Netlabels. Aber das ist nicht alles: Weil die Musik frei und meist unter einer Creative Commons-Lizenz veröffentlicht wird, darf sie auch mitgenommen werden. Ein mitgebrachter USB-Stick reicht, denn in der breiPott-Bar stehen Musik-Tankstellen für den Musikdownload zur Verfügung. Wie es zu der Idee kam, lest Ihr im Interview.

Stellt Euch und Euren Hintergrund doch kurz mal vor? Wer steckt hinter und im breiPott?

Also, zunächst mal stecke ich, Saskia Peruza, ich hinter dem breiPott. Im Sommer 2006 fing ich an, ein Gastro-Konzept zu entwickeln, dass es so in Berlin noch nicht gibt. Selber in einer Gastrofamilie aufgewachsen, habe ich schon immer gerne die Nacht zum Tage gemacht, Parties organisiert und ausgiebig gefeiert. Dabei und während 12 Jahren WG-Leben habe ich viele Leute kennengelernt, aus den unterschiedlichsten Bereichen, Kreisen und Szenen. Was mir wirklich liegt, sind Organisation und Stricken – und zwar das Stricken von Netzwerken. Ich kann enorm viel bewegen. Das sagen zumindest alle, die mich kennen.

Ohne zahlreiche Helfer wäre allerdings so ein Ding wie der breipott niemals realisierbar gewesen. Insgesamt waren und sind bisher wohl an die 100 Menschen ins Projekt involviert. Dabei gibt es einen engeren Kreis von Leuten, die mit mir den breiPott stemmen.

Das ist zum Beispiel Stefan Zimmer, er kümmert sich um die Medien, insbesondere um die Online-Kommunikation. Thilo Zürn berät mich allgemein in allen Fragen und ist der Baumeister im breiPott. Ohne seine Hilfe wären wir bei der Renovierung und dem Ausbau des Ladens aufgeschmissen gewesen. Nils Ohrmann übernimmt die Funktion des Artist & Repertoire Managers. Er kümmert sich um den Kontakt zu den Netlabels und Musikern. Chris und Timo von matikom programmieren die Website und unsere Musik-Datenbank. Daniele Tondat schmeißt als langjähriger Barmann die flüssige Abteilung. Miguel Sanchez Andres kreiert als Küchenchef unsere Reisgerichte.

Wie seid Ihr auf die Idee gekommen eine Netaudio Bar zu eröffnen? Spielt Ihr wirklich keine GEMA-Musik? Und macht Ihr das nur, um Geld zu sparen?

Die Idee zu der Netaudio-Bar kam mir, als mich ein Freund auf die Möglichkeiten freier Lizenzen aufmerksam machte. Er arbeitet viel mit Musikern zusammen, die kaum einen Nutzen aus einer GEMA-Mitgliedschaft ziehen. Ich fand die Idee einfach klasse, Musik legal und kostenlos unter die Leute bringen zu können und verband das mit meiner Traum-Bar. Denn bis dahin hatte ich selbst kaum etwas von Netlabels und freier Musik mitbekommen. Viele meiner Freunde hatten davon ebenfalls keine Ahnung und je mehr ich mich damit beschäftigte, merkte ich, dass in dieser Art von Musiklizenzierung viel Potential steckt. Das einzige, was Netaudio noch fehlt, ist ein größerer Bekanntheitsgrad. Das möchte ich ändern und so entstand die Idee zum breiPott.

Geld sparen wir allerdings mit dieser Bar überhaupt nicht. Im Gegenteil: die Musik zu akquirieren, die Lizenzen rechtssicher zu prüfen und die gesamte technische Infrastruktur hinter unseren Musik-Tankstellen kostet enorm viel Geld. Und ich verdiene daran ja erst einmal überhaupt nichts. Die Sache mit Netaudio ist daher eher so ein idealistisches Ding. Ich höre einfach gerne Musik, am besten solche, die noch nicht durch alle Radiosender gedudelt wurde und ich liebe es, mit Menschen zu feiern. Und dazu gehört Musik wie der Reis in die Paella.

Allerdings läuft bei uns hin und wieder auch GEMA-pflichtiges Material und dafür zahlen wir auch Lizenzgebühren. Wenn bei uns ein DJ auflegt, wollen wir ihm nicht dogmatisch vorschreiben, was er auflegen soll. Wenn dann in einem Set auch GEMA-Musik vorkommt, ist das unserer Meinung nach OK. Wir haben ja nichts gegen Musik mit GEMA-Lizenzierung. Wir wollen nur die freie Musik bekannter machen und gegen das Vorurteil ankämpfen, unkommerzielle Musik sei qualitativ schlechter. Im normalen Betrieb läuft aber fast nur frei lizenzierte Musik, sagen wir in 95 % unserer Öffnungszeit.

Wie hört sich die Resonanz an? Verstehen Eure Besucher das Konzept? Kommen Leute mit USB-Stick vorbei und schlürfen einen Latte Machiato beim Download? Und wie lade ich überhaupt bei Euch Musik herunter? Habt Ihr auch so etwas wie die Burnstation?

Die Resonanz beim Publikum war bisher überwiegend überrascht und interessiert und es gab auch Leute, die nur deswegen vorbei kamen. Die tatsächlichen Downloads halten sich bisher aber noch in Grenzen, da nur die wenigsten wirklich eigene Speichermedien dabei hatten. Allerdings gehen wir davon aus, dass sich das Konzept und die Möglichkeit, Musik kostenlos und offline mitnehmen zu können, erst noch herumsprechen muss. Der Laden war insgesamt erst fünf Wochen offen und nun mussten wir wegen einem ziemlich verheerendem Wasserschaden den ganzen August lang schließen.

Aber das Interesse wuchs in den Wochen davor und bis heute stetig und wir gehen davon aus, dass ab unserer Wiedereröffnung am 30.08.2008 auch mehr Leute zum Downloaden kommen werden.

Das geht übrigens denkbar einfach. Wir haben in unserem Laden drei sogenannte Musik-Tankstellen. Die bestehen jeweils aus einem Bildschirm, einer Tastatur, einer Maus und einem USB-Port. Wie in einer Datenbank mit mp3-Player kann man sich durch unser Archiv hören und wenn ein Stück gefällt das eigene Speichermedium anschließen und auf “Download” klicken. Ähnlich wie in einem Plattenladen, nur dass der Gang zur Kasse wegfällt.

Eine Burnstation haben wir bisher noch nicht, was einfach an dem technischen Aufwand und unserem finanziellen Spielraum liegt. Aber das kann sich ja langfristig noch ändern.

Wie kommt die Musik in den breiPott? Habt Ihr spezielle Verbindungen zur Szene, wo ladet Ihr Musik herunter und wen “promotet” Ihr in Eurer Bar?

Dafür haben wir Nils Ohrmann, der ständig das Netz nach Labels und talentierten Musikern ohne GEMA-Mitgliedschaft durchforstet. Bislang haben wir meist die Labels angeschrieben und angefragt, ob sie an einer Kooperation interessiert sind. So haben wir mittlerweile sehr gute Verbindungen zu ID.eology, Pentagonik, Pulsar rec., Idealtechno, Yuki Yaki, Diskoskonfort, Musicartistry und einigen anderen Labels. Mit Dusted Wax Kingdom haben wir auch ein osteuropäisches Label gewinnen können, das mit uns eng zusammenarbeitet. Darüber hinaus haben wir auch einzelne Bands und Musiker in unserem Archiv.

Grundsätzlich sind wir jedem Musiker, jedem Genre und jedem Label gegenüber offen. Die Musik sollte nur einen gewissen Qualitätsstandard erfüllen, also keine Garagenaufnahme sein. Und natürlich wollen wir keine Musik mit diskriminierenden oder rassistischen Texten.

Wenn jemand ruft: “Hallo, ich bin ein Netlabel! Darf ich auch mitmachen? Und wie kann ich Euch meine Sounds zur Verfügung stellen?”, was antwortet Ihr?

Hallo, welcome! Schick uns doch mal eine Kostprobe.

Um in unser Archiv zu kommen, benötigen wir allerdings ein paar Angaben von dir. Der GEMA sei Dank. Aber wir müssen einfach ausschließen, dass wir im Nachhinein Schadensersatzklagen bekommen. Und wir brauchen deine Genehmigung, deine Musik auch in unserem Laden abspielen zu dürfen, da das ja genau genommen eine kommerzielle Nutzung ist. Außerdem können sich unsere Gäste künftig deine Musik kostenlos mitnehmen und in ihrem Freundeskreis verteilen.

Also, neben deiner Musik in Form eines mp3-Files brauchen wir deinen bürgerlichen Namen, dein Geburtsdatum und deine Erklärung, dass du kein GEMA-Mitglied bist und wir deine Musik im breiPott spielen dürfen. Das war´s. Und wenn du willst, kannst du uns noch ein Cover deines Albums und ein paar Angaben zu deinem Musikprojekt schicken. Damit können wir deine Musik noch besser unseren Gästen vorstellen.

Das alles kannst du über unser Web-Formular eingeben, zu dem wir dir gerade den Zugang geschickt haben. Wir freuen uns auf deine Musik und wünschen dir zahlreiche Resonanz auf deine Werke!

Danke für das Interview!

Wo ist die Netaudio Bar mit USB-Anschluss?

breiPott
Skalitzerstr. 81
10997 Berlin

Website: www.breipott.cc (offline)

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