www.1bit-wonder.com

Interview › Interview mit Netlabel www.1bit-wonder.com

www.1bit-wonder.com

Leipzig ist momentan einer der Plätze, an denen man das Pulsieren des Lebens richtig spüren kann. Man hat den Eindruck, dass man hier nichts von der Aufbruchstimmung früherer Jahre verloren hat. Dies drückt sich auch in der Musikszene aus. Man sagt schon länger, dass Leipzig das neue Weilheim werden könnte.

Die Kinder von einst sind mit der Zeit Erwachsen geworden. Aus Posses werden ernstzunehmende Projekte. Sie haben viel gelernt und sich eine solide Basis geschaffen, um nach und nach über den sächsischen Tellerrand zu schwappen.

Neben vielen anderen vielbeachteten Lichtern, aus denen nach und nach gleißende Supernovas zu werden scheinen, sind es auch gerade die noch immer vorhandenen jungen Wilden, die täglich frischen Wind in die Szene bringen. Die Macher hinter 1bit-wonder sind solche wilden Jungs, die ihren musikalischen Background seit Februar 2005 öffentlich machen und damit einmal mehr beweißen, dass es neben Homepages mit Musik auch wirkliche Netlabels gibt. „Es ist Wahnsinn, dass heutzutage jeder ohne eigene URL, Webspace, Vertriebsahnung und html-Wissen ein Netlabel bauen kann. Mach einen Blog auf, lade ab und an ein paar Tracks hoch, die du gerade auf deinem Rechner fertig hast und das war es schon.“

Aber der Unterschied liegt eindeutig im Detail, denn der kontinuierliche Qualitätsanspruch muß ebenfalls Programm sein und sich in einem absolut runden Bild wiederspiegeln. „1bit-wonder sollte nicht eins von 1000 neuen Labels sein und in der Masse verloren gehen. Es soll richtige Labelarbeit gezeigt werden. Wir haben uns von Anfang an vorgenommen, Musik zu veröffentlichen, die wir als absolut perfekt empfinden. Letztlich geht es bei uns ja um gute Musik und nicht um irgendwelchen anderen Schnickschnack auf der Website.“

Dabei wollen sich die beiden Betreiber Benne und Mirsch, nicht auf eine Sparte begrenzen. „Wir sind offen für alles, haben aber trotzdem eine genaue Vorstellung, wie 1bit-wonder klingen soll. „Im Vinylbereich gibt es Labels wie Perlon, bei denen man sich blind auf den Sound verlassen kann. Ich denke aber, dass man als Netlabel seine Möglichkeiten verschenkt, wenn man das so straight durchzieht. Im Netz kannst du halt alles machen, weil sich nichts wirtschaftlich rechnen muss. Also sollte man auch den Mut haben, diese ökonomische Unabhängigkeit zu nutzen.“

So hören sich die beiden wirklich jedes Demo, welches sie zugesandt bekommen, an. „Manchmal schüttelt man schon den Kopf, was man so bekommt. Beschäftigen sich die Leute nicht vorher mit dem Sound des Labels, welches sie anschreiben? Es macht auch einen schlechten Eindruck, wenn man Einsendungen nur in Form von Rundmails erhält. Aber es ist immer wieder spannend, an welchem Ort die Musik irgendwann wieder auftaucht.“

Mirsch K Netlabel Head von www.1bit-wonder.com

Die Tätigkeiten sind klar aufgeteilt. Der 22jährige Benne, auch bekannt als DJ Stalker aus dem Umfeld der Distillery, ist für Promotion, A&R und Mastering zuständig. „Ich war schon immer ein Pressemensch!“, was auch zu seinem Studium in Kommunikation und Medien passt. Mit U96s „Das Boot“ elektronische Musik entdeckt, umfasste sein Weg über die Jahre zahlreiche Stationen - von Hardcore und Drum&Bass über ToolTechno bis zu minimalen Klängen. „Wir haben die Arbeit nach unseren Fähigkeiten geteilt. Außerdem hat Mirsch wegen seines Jobs nicht sehr viel Zeit.“ Und so passt es auch zur grafischen Ausbildung des 3 Jahre älteren Mirsch, dass er das Cover- und Webdesign übernimmt. „Cool wäre es jedoch, die Arbeit nach und nach noch mehr zu teilen, denn es ist alles sehr zeitaufwendig.“

Beide kommen aus einem kleinen sächsischen Ort namens Oschatz und sind schon in die gleiche Schule gegangen. Später hat man sich auf Partys wiedergetroffen und war in der gleichen DJ Clique, woraus irgendwann die lokale Booking-Agentur und das spätere Online-Mag „Convulse“ entstand, wozu z.B. auch Daniel Stefanik gehörte. Genau diese Vergangenheit sorgte für viele gute Kontakte zu Künstlern, welche jetzt die Musik für 1bit-wonder liefern. „Ich habe als DJ so viele Leute kennen gelernt und dachte mir – es kann doch nicht sein, dass deren gute Musik niemand mitkriegt.“ Und so hat man sich schon ein Jahr vorher bei vielen gemeinsamen Filmabenden darüber unterhalten, wie man ein eigenes Netlabel gestalten könnte.

Und dauerte es auch seine Zeit, den passenden Namen zu finden, ist es interessant, dass er reine Phantasie und ohne weiteren Bezug ist, auch wenn er danach klingt. Umso spannender ist die Verarbeitung des Namens in Design und Marketing: „Every bit a hit!“ Die Assoziation einer bekannten Biermarke ist rein zufällig. „Also ich mag zu Hause eher Hasseröder und Mirsch hat in seiner Studienzeit Unmengen an Sternburg Export vertilgt.“ erklärt Benne das wohl – zumindest für Mirschs Projekte („Latex Distortion“ und „Kultobjekt“) – trotzdem zentrale Thema Bier, welches auch durch Mirschs nächstes Release „Reinheitsgebot“ mit den passenden Tracknamen „Hopfen“, „Malz“ und „Wasser“ unterstrichen wird.

Mirsch: „Während der lustigen Fahrt zu einem Gig von Benne erzählte ich, dass ich die Idee hätte ein Solo-Release zu machen, dass “Bitte 1bit!” heißt und auf dem Cover sollte eine schöne Biertulpe sein. Tja, und mit Biertulpe habe ich dann irgendwie Kultobjekt assoziiert.”

Auch die Projekte „Flektron“ und „Fette Fische“ gab es schon und „Latex Distortion kam mir beim Fernsehen. Eines Tages lief im TV ein Comic, den ich nebenbei verfolgt habe. Eine Figur hat irgendwas gebastelt und da stand groß im Bild eine Dose Latex. Das fand ich irgendwie cool. Distortion war außerdem damals unser Lieblingseffekt und schon war der Name geboren.“

1bitwonder steht noch am Anfang. Man besinnt sich auf das, was heute erledigt werden muß, nutzt die Vergangenheit und kümmert sich nicht um die ungewisse Zukunft: „So, wie ich mir vor drei Jahren niemals träumen lassen hätte, dass ich mal Netlabel-Betreiber bin und zu Hause meine eigene Musik machen kann, genau so hab ich jetzt keine Ahnung, was in 3 Jahren sein wird.“

Es sprachen miteinander: Benne und Tend

More Portraits and Interviews in our Archive ›