Dröhnende Orgel-Akkorde und Echo-Gitarre

Music Review – Ambient

Dröhnende Orgel-Akkorde und Echo-Gitarre

Bei den ersten Veröffentlichungen des Serein-Labels aus Großbritannien hat mir ein wenig der Schmutz gefehlt - gute, schöne Musik, aber vielleicht etwas zu nett. Mit Marcel Türkowsky (u.a. Kinn/ Sinnbus), dem aktuellen Release von Neuf Meuf (als Coop mit 12rec.) oder eben 1.000 Hours Of Staring konnte Labeleigner Huw Roberts dieses Manko aber mehr als wettmachen. Bühne Frei!

Am Anfang war die Orgel. Ein monumentales Instrument! New Yorks Citys’ heißester Elektroakustiker Mike Ramsey a.k.a. 1.000 Hours Of Staring (googelt mal‚ Tom Friedman’ um herauszufinden was es mit dem Namen auf sich hat) eröffnet seine Debut-EP “Co-operative Thread” auf dem geschmackssichersten Netlabel around mit einem Track, der sich ganz auf dröhnende Orgel-Akkorde und eine Echo-Gitarre reduziert. Sehr dreckig, sehr schön.

Song Nummer Zwei beginnt mit kratzenden, schabenden found sounds. Es gibt eine rückwärts gespielte Gitarre zu hören, dezente Synthesizer im Hintergrund und ein seltsames Sample in variablem pitch. “Born in a Swallow” kommt experimenteller daher als “Enamel” (der erste Song) und scheint federleicht. Eine Heroin-schwangere Version von Four Tet, ein 20-mal überspieltes DJ Shadow-Tape das zu lange in der Sonne lag, als wenn Sensational instrumentale Entspannungsmusik machen würde.

Bei “I Am Philips Head” überrascht Ramsey mit einem herausragenden Streicher-Arrangement. Großes Kino. Im Konzert mit Gitarre und Piano der klassischste “Song” der EP. “My Pistil Your Pedal” danach hat irgendwie einen seltsamen Klang… in weiter Ferne könnten das drei, vier Gitarrenschleifen sein, abgespielt in unterschiedlicher Geschwindigkeit… oder irgend etwas anderes. Mit “Essen” als letztem Track beweist Mike dann endgültig seine Qualitäten als Songwriter und Komponist. Wieder häuft er zahlreiche Gitarrenspuren an, tränkt sie in Feedback und satten Hall - Klangdiffusion. Nach zweieinhalb Minuten lässt er einen Schwarm diskreter Akkorde herabregnen, erst wie in wenigen Tropfen, dann in dichten Schauern, und führt ein melodisches Bass-Motiv ein. Fantastisch! Der Song gewinnt an Lautstärke und Verzerrung bevor er plötzlich endet. Vorhang, Chapeau.

PS: Wie immer liefert Serein auch ein tolles Artwork. Front- und Back-Cover beruhen auf Ölbildern von Alanna Gladstone (vorne) bzw. Ramsey selbst, der das Bild für die Rückseite liefert. Bei aller Farbigkeit abgründige, verwirrende Werke die den ambivalenten Sound der EP gut widerspiegeln.


Netlabel: Serein
Music Category: ELECTRONIC MUSIC
Style: netaudio ambient experimental

Author: Bettina Rhymes

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